25 November 2012

Die Waldkapelle

Die Waldkapelle

 

Die Frau Geheimrätin wünscht ihren Sommeraufenthalt in der Nähe des Fürstenwaldes zu nehmen. Da sie weiss, daß der Andrang sehr groß ist, fährt sie schon vor der Saison hin, sich ein Zimmer nach ihrem Geschmack auszusuchen.

Durch den Dorfschulzen geleitet, findet sie ein Zimmer. Sie mietet es für die kommende Saison und fährt wieder zurück. Zuhause angelangt, fällt ihr ein, daß sie vergessen hat, anzufragen, ob auch ein WC vorhanden sei. Sie schreibt also dem Dorschulzen und bittet um Nachricht.

Der Dorfschulze zerbricht sich den Kopf, was wohl ein WC sein könnte. Schließlich geht er zum Pastor des Dorfes. Der meint, damit sei wohl die neue Waldkapelle gemeint. Strahlend vergnügt begibt sich der Dorfschulze nach Haus in der Meinung, die Frage gelöst zu haben und schreibt folgenden Brief an die Geheimrätin:

Sehr geehrte gnädige Frau!

WC ist vorhanden, liegt inmitten eines prächtigen Tannenwaldes, etwa eine halbe Stunde vom Hause entfernt. Wegen seiner gesunden Lage sehr zu empfehlen. WC ist geöffnet mittwochs und sonnabends. Es empfiehlt sich wegen des ungeheuren Andrangs schon eine halbe Stunde früher da zu sein. Gnädige Frau können jedoch beruhigt sein, da etwa 600 Sitzplätze vorhanden sind. Bei schönem Wetter findet die Sache im Freien statt.

Sonntags empfiehlt sich der Besuch besonders, weil dann die Veranstaltung mit Orgelmusik vor sich geht.Demjenigen, welcher keinen Sitzplatz erhält, ist Gelegenheit gegeben, sich an die umsäumende Mauer zu stellen. Um Ihnen aber einen Vorzugsplatz zu reservieren, werde ich den besten für Sie freihalten.

Auch ist die Akustik ganz hervorragend und von Kennern schon bewundert. Selbst der zarteste Ton ist in allen Ecken schön zu hören und verbreitet ein tausendfaches Echo. Ein Gefühl der Andacht überkommt einen, wenn man in Ehrfurcht seine Knie beugt.

Beim Verlassen dieser Stätte werden Sie das Gefühl großer Erleichterung haben und jeder Druck wird von Ihnen genommen sein. Für unsere Gäste, für die der Weg zu weit ist, haben wir einen Omnibusverkehr eingerichtet.

In der Erwartung, dass Sie lebhaften Gebrauch davon machen werden, zeichnet

Hochachtungsvoll
Ihr ergebener Dorfschulze